• Steffen Verlag | www.steffen-verlag.de | Klaus-Jürgen Neumärker: Der andere Fallada - page 78

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Der von Suse 23 Jahre nach dem Ereignis mit einfachen Worten beschriebene
Handlungsablauf wurde von den Biografen in Szene gesetzt. Naheliegend ist die Be-
schreibung, wonach Ditzen sich bei Ursula Losch befand, die am Rande von Feldberg
in der Siedlung Klinkecken am Haussee ein noch von Kurt Losch erbautes Haus be-
saß. Von dort kehrte Ditzen, unter Alkohol stehend, nach Carwitz zurück, traf auf
Suse, geriet in Streit, holte die Schusswaffe und gab einen Schuss in ihre Richtung ab.
Suse telefonierte danach mit Dr. Hotop in Feldberg, der Ditzen von Carwitz abholen
ließ. Von dem Aufenthalt Ditzens in Feldberg erfuhr der nazistische Staatsanwalt, von
Crepon als Staatsanwalt Splettstößer aus Neustrelitz ausgewiesen.
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Splettstößer war
als Staatsanwalt ebenso wie alle Rechtsanwälte und Notare der nationalsozialistischen
Rechtssprechung und Gerichtsbarkeit verpflichtet. Es war daher seiner Pflichttreue
geschuldet, der Sache Ditzen nachzugehen und im Sinne der »Volksgemeinschaft«
unter den aktuellen schwierigen Bedingungen zu handeln.
Wieschnellgehandeltwurde,belegteinSchriftstück,dasalslosesBlattinderKranken-
akte Ditzen/Fallada der Kuranstalten Westend aufgefunden wurde. Danach richtet
am 1. September 1944 der Oberstaatsanwalt beim Gericht in Neustrelitz dorthin ein
Schreiben mit dem Inhalt, dass »in einem hier anhängigen Ermittlungsverfahren
gegen den Schriftsteller Rudolf Ditzen (Hans Fallada) wegen Bedrohung seiner ge-
schiedenen Ehefrau mit einer Schusswaffe das Amtsgericht angeordnet hat, dass der
Beschuldigte einstweilen in einer Heil-
oder Pflegeanstalt untergebracht wird.«
Und weiter heißt es: »Der Beschuldigte
hat angegeben, dass er wiederholt wegen
Nervenleidens in der Kuranstalt behan-
delt worden sei, zuletzt im Januar ds. Js.,
nachdem er in Frankreich infolge starken
Alkoholgenusses einen schweren Nerven-
zusammenbruch erlitten hatte. Ich bitte,
mir die Krankheitspapiere des Beschul-
digten mit einer kurzen gutachterlichen
Äußerung zu übersenden.« Der Brief
verrät, mit welch dramatischen Angaben
Ditzen bei den Ermittlungen gegen seine
Person argumentierte.
UnterdessenwirdDitzen von Feldberg
nach Neustrelitz ins Landgerichtsgefäng-
nis, das sich in der Töpferstraße 13 a be-
Ursula Losch, die zweite Ehefrau
Rudolf Ditzens
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