• Steffen Verlag | www.steffen-verlag.de | Klaus-Jürgen Neumärker: Der andere Fallada - page 74

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das »Hotel Burlage«, die Betten und die Badewanne. »Also, mein Alter ich hoffe,
Du bist wie ein junger Gott zurückgekommen und das Lebenmacht Dir wieder Spaß.
Kommt sofort zu uns, sobald einmal ein Wochenende reglos zu sein verspricht.«
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Diese Zeilen verraten bei Ditzen Gleichklang, Zufriedenheit und Zuversicht, ein
Zustand, der im Kalendereintrag vom 31. August: »Optimistische Stimmung we-
gen der Verhandlungen!« seine Fortführung findet. Verhandlungen, sicher wegen
des geplanten Filmprojektes zu dem Roman
Kleiner Mann großer Mann, alles ver-
tauscht
. Weitere Titel wie
Dies Herz, das Dir gehört
oder
Das versunkene Festgeschenk
lagen 1939 ebenfalls vor. Ein Eintrag im Kalender vom 29. Oktober: »Sehr trüber
Sonntag« lässt dann aber aufhorchen. Bahnt sich eine durch das Schreiben und die
Umstände begünstigte Überempfindlichkeit, ein Stimmungstief an? Seiner Mutter
schreibt er am selben Tag: »Wie ich uns kenne, werden wir wohl immer finanzielle
Sorgen haben. Die Steuern sind ja jetzt auch so hoch, dass man wirklich sehr viel
verdienen muss, um solchen Haushalt aufrechtzuerhalten […] Und es hängt ja auch
noch viel davon ab, ob die Filmarbeit nun gebilligt wird. Meckern ist da leicht. Und
Klagen werde ich mir kaum leisten können.«
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Die Biografin von Studnitz charakterisiert die Situation, in der sich Ditzen ab Au-
gust 1939 befindet, mit denWorten: »Die stumpfsinnige Lohn- und Brot-Produktion
schlägt ihm aufs Gemüt. Seine Depressionen nehmen zu, die Krisen mit allen ihn um-
gebenden Menschen in Carwitz gleichfalls. Die Ehe zwischen Suse und Hans Fallada
beginnt zu wanken … [Suse] muss für seine Ruhe während der Arbeit sorgen. Sie soll
seine Suchtschübe –natürlich trinkt Fallada schon wieder – abfangen. Sie soll tolerie-
ren, dass er einen Seitensprung nach dem anderen begeht, sei es mit Haustöchtern,
sei es mit irgendwelchen Bardamen, sei es mit den Ehefrauen seiner Bekannten. […]
Zusätzlich ist Suse erneut schwanger. Und als sie sich langsam in allen Dingen gegen
das Übermaß an Aufgaben zu wehren beginnt, reagiert ›ihr Junge‹ mit verzweifelter
Selbstzerstörung. Sein Alkoholismus und Schlafmittelmissbrauch bringt ihn ab Ende
November 1939 wieder einmal ins Sanatorium ›Heidehaus‹«.
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Eine dramatische
Schilderung, die von Studnitz hier zu Papier bringt. Die Beschreibung von Suses Situ-
ation lässt allerdings aus, dass ihr für den Haushalt –»unsere Familie besteht z. Z. aus
meinemMann, mir, 2 Kindern (6 und 9 Jahre), von denen das ältere nur zu den Ferien
hier ist, und aus drei Haustöchtern, von denen uns die älteste am 1. 1. verlässt und
durch Sie ersetzt werden soll«– eben drei Haustöchter zur Verfügung standen, so in
einem Brief von Anna Ditzen am 30. November 1939 an Fräulein Thäsler, die ab 1. Ja-
nuar 1940 ihren Dienst antreten könnte.
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Die Belastungen, die Suse in dieser Zeit
durch die Haushaltsführung zu tragen hatte, können nicht allein ausschlaggebend
gewesen sein.
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