• Steffen Verlag | www.steffen-verlag.de | Klaus-Jürgen Neumärker: Der andere Fallada - page 65

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Dr.Westphal erhalten haben, das besonders schwer abzugewöhnen sei, wieDr. Schwalb
andeutete, dann diente die Kur der plötzlichen Morphiumentziehung. Wären es die
Erregungszustände mit oder ohne Alkohol oder die Schlaflosigkeit, hätten sie auch
eine Indikation dargestellt. Ditzen aber klagte am 6. Mai über die »alberne Depressi-
on«, die »noch immer nicht weggehen« wolle. Da hatte er schon mehrfach Luminal-
Natrium erhalten. Zusätzlich wurde Ditzen am 3., 5., 9. und 10. Mai das injizierbare
Hypnotikum Pernocton mit 4 bzw. 6 ccm entsprechend seinem Körpergewicht von
70,7 Kilogramm gespritzt. Die Berechnung erfolgte nach Angabe: Dos. 1 ccm auf
12½kg Körpergewicht. Auch wenn Ditzens einmalig zu Beginn seines Aufenthaltes im
West-Sanatorium gemessener Blutdruck von 130/75 imNormbereich lag, erhielt er das
Medikament Sympatol, ein Analeptikum, Kardiakum als Tonikum ausgewiesen. Sym-
patol diente der Verbesserung der Erregbarkeit des Atem- und Kreislaufzentrums. Un-
terstützt wurde diese Wirkung durch die Gabe von Adastra, einem Coffein-Präparat,
das ihm ab dem 4. Mai verabreicht wurde. Und schließlich erfolgte die Einreibung mit
Transpulmin, um die Lungenfunktion und die Atmung zu verbessern. Aus der Kurve
wird ersichtlich, dass amWochenende vom 11. bis 12. Mai Suse zu Besuch war. Ersicht-
lich wird auch, dass ab 14. Mai eine Reduktion des verabfolgten Luminal-Natrium vor-
genommen worden ist.
Unter dem 9. Mai 1935 schreibt Heinrich Maria Ledig-Rowohlt an Ditzen ins West-
Sanatorium.
L
e
HM
, so das Namenskürzel des Briefeschreibers, hatte schon von Suse
gehört, »dass es Ihnen noch immer nicht wieder gut geht und bin sehr betrübt. Hof-
fentlich bekommt Ihnen die Ruhe«. Undweiter: »Meister Rowohlt, dem ich von Ihrer
Anwesenheit in Berlin berichtete (und dem ich unter anderem auch sagte, dass Sie völ-
lig ungestört durch Besuche oder lange Briefe bleiben müssten), lässt Ihnen sagen, dass
er selbst auf Anraten seines Arztes eine kurze Erholungspause genommen hat und im
Thüringer Wald sitzt. Er lässt Ihnen gute Besserung wünschen und Ihnen sagen, dass
er am Dienstag wieder in Berlin sein wird und sich freuen würde, wenn er Sie dann
vielleicht schon wieder einmal besuchen oder mit Ihnen telefonieren könnte.«
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Verfolgt man die Tage, die Ditzen ab Donnerstag, dem 2. Mai 1935, im West-Sana-
torium zubrachte, so konnte er noch amMontag, dem 6. Mai an Suse schreiben. Nach
Carwitz gelangte am 13. Mai ein Brief vom Rowohlt Verlag an den »sehr verehr-
ten Herrn Ditzen« mit der Honorarabrechnung für den Monat April in Höhe von
»
RM
2.780,09«. Gleichzeitig habe man die »Bank beauftragt, Ihnen Ihr Märzgut-
haben in Höhe von
RM
2.914,38 auf Ihr Konto bei der Mecklenburg-Strelitzschen
Hypothekenbank, Feldberg, zu überweisen.«
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Im Schlafkurzustand erhielt Ditzen den Brief von Ledig-Rowohlt mit der Ankündi-
gung, dass sich Meister Rowohlt ab Dienstag, dem 14. Mai wieder in Berlin befinden
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