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Von Carwitz nach Berlin ins West-Sanatorium
Der Aufenthalt Ditzens im West-Sanatorium in Berlin W15, Joachimsthaler Straße
20, vom 2. bis zum 22. Mai 1935 wird von den Biografen Manthey, Crepon, Liersch
und von Studnitz nicht erwähnt. Dabei sind diese Tage ein Beispiel für verfehlte ärzt-
liche Behandlung. Ditzens Lebens- und Krankengeschichte war nicht dazu angetan,
Medikamente zu verordnen, deren Nebenwirkungen dramatische Auswirkungen nach
sich zogen. Die Autorin Williams geht auf diesen Zeitabschnitt inhaltlich zwar ein,
benennt aber nicht die Einrichtung, das West-Sanatorium. Sie berichtet ausgehend
von der Behandlung durch den Hausarzt, die »nicht die gewünschte Wirkung erziel-
te«, um dann fortzufahren: »[…] brachte Suse ihren Mann am 2. Mai in die Berliner
Klinik, in der er schon 1933 erfolgreich behandelt worden war. Hier erlitt er einen völ-
ligen Nervenzusammenbruch. Die Schlaftabletten, die ihm unter anderem verordnet
wurden, erwiesen sich als zu stark und lösten Halluzinationen aus.«
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Allein Kuhnke greift bei seinen Recherchen den Eintrag im Arbeitskalender vom
2. Mai zumWest-Sanatorium auf, wenn er schreibt: »AnfangMai musste ihn seine Frau
[…] erneut ins Berliner West-Sanatorium bringen. Aber die Therapie des Dr. Schwalb
verschlimmerte Falladas Zustand, und Anna Ditzen versuchte sofort, ihn in einer an-
deren Klinik im nahen Fürstenberg
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unterzubringen, sie fuhr an diesen bösen Tagen
sechsmal zwischen Carwitz und Berlin hin und her, bis es ihr mit Rowohlts Hilfe ge-
lang, Fallada endlich am 22. Mai in die Berliner Charité einweisen zu lassen. Hier war
es Prof. Bonhoeffer […] der Fallada völlig anders behandelte.«
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Dr. Johannes Peter Hermann Schwalb vom West-Sanatorium, am 12. Juli 1884 in
Magdeburg-Neustadt geboren, sollte eigentlich ein erfahrener Arzt gewesen sein. Mit
36 Jahren hatte er am 1. Juni 1920 den Facharzt für Innere Medizin erworben. Dem
Reichsarztregister kann entnommen werden, dass der »Deutschblütige« privat in
Berlin-Zehlendorf, Türksteinweg 21 wohnte. Inwieweit er über Erfahrungen in der
Therapie psychischer oder Suchterkrankungen verfügte, ist nicht zu ermitteln.
Unternimmt man heute den Versuch, Informationen über das West-Sanatorium zu
erhalten, stößt man nur im
Jahrbuch der ärztlich geleiteten Heilanstalten und Privat-
kliniken Deutschlands
erstmals 1929 auf einen lapidaren Eintrag: Berlin: Sanatorium
Frau Dr. Kaute, Joachimsthaler Str. 20. Diese Eintragungen wiederholen sich ohne
weitere Angaben. Ab 1936 erscheint dann der Name »Kaute, Dr. Wilhelm, Berlin
W 15, Joachimsthaler Str. 20«. Dr. W. Kaute, Jahrgang 1902, wurde ab 1. 1. 1935 im
Reichsarztregister als »Facharzt für Frauen«, »deutschblütig«, geführt mit der Privat-
anschrift Berlin-Wilmersdorf, Landauerstr. 9. Im
Reichs-Medizinal-Kalender
von 1935
findet sich der Eintrag »Kaute, Wilhelm; Wilm. Rüdesheimer Platz 8; Gynäkologe«.
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