• Steffen Verlag | www.steffen-verlag.de | Klaus-Jürgen Neumärker: Der andere Fallada - page 82

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Der Trinker.
Zwischen diese ohnehin schon eng geschriebenen Manuskriptzeilen
zwängt Ditzen noch eine weitere Arbeit, ein
Gefängnis-Tagebuch
. Unter dem Titel
In
meinem fremden Land
wird 2009 dieses Buch erscheinen. Die Vermutung liegt nahe,
dass Ditzen die Genehmigung zum Schreiben überhaupt nur erreicht, weil er den
Verantwortlichen angibt, jenen Roman über den Barmat-Kutisker-Skandal mit jüdi-
schemHintergrund zu erstellen. Es ist die Zeit, in der alles knapp ist –Tabak, Nahrung,
auch Schreibmaterial und Papier. Es ist die Zeit, in der Ditzen seine winzige Schrift
einsetzt, das beschriebene Papier dreht, zwischen den Zeilen schreibt, für Außen-
stehende kaum lesbar. Am 7. November teilt er Suse mit, es seien ca. 450 Druckseiten
geplant. Und am Ende seines Aufenthalts hat er noch für Tochter Mücke »in 9 Ta-
gen als mein Weihnachtsgeschenk eine Dachsgeschichte von ca. 120 Druckseiten ge-
schrieben.«
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Unter dem Titel
Fridolin, der freche Dachs
wird diese Erzählung später
in die vielgelesene Fallada-Literatur eingehen.
Das Schreiben ist der Beleg für Ditzens Kreativität und Willensstärke, für sein Ar-
beitsgewissen und Bestätigung für die Leistung seines Gehirns, wenn, ja wenn kein
Alkohol, keine Narkotika, keine Suchtstoffe – außer seinem Tabak –  diese Schaffens-
kraft beeinträchtigen und sein Tagesablauf im Gefängnisalltag straff angeordnet und
geregelt ist. Für Ditzen im Grunde genommen kein unbekanntes Phänomen, für Suse
ebenfalls nicht, wenn sie in Sorge undMit-
gefühl am 2. November 1944 aus Carwitz
an ihn schreibt: »Dass Du wieder so böse
Kopfschmerzen hast, ist schlimm. Lass
wirklich das schreiben ein bisschen lang-
samer angehen.«
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Der Briefwechsel zwi-
schen beiden stellt das Band von drinnen
nach draußen und umgekehrt dar. Die In-
halte der Briefe sind eine Fortführung der
schon vor der Inhaftierung ausgetausch-
ten Erklärungen, Vorhaltungen, Versuche
der Aufrechterhaltung einer Freundschaft
nach der Scheidung. Suses Zweifel, wie
sie ihren »Jungen« von einst nun an-
sprechen soll, begegnet er: »Wie wäre als
Anrede der Name ›Ditzen‹–widerstrebt
Dir das? Mir nicht.«
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Den Beteuerun-
gen, »dass ich mich des Alkohols ganz
und aller Schlafmittel möglichst ganz
Dr. med. Johannes Hecker
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