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witz, für das er bereits am 27. September 1944 Frau Anna Ditzen geb. Issel als alleinige
Vorerbin eingesetzt hatte.
Das Kriegsjahr 1944 neigt sich mit allem, was ein sinnloser Krieg mit sich bringt,
dem Ende entgegen. Ditzen wird, wie Crepon nüchtern schreibt, »am zweiten Weih-
nachtstag noch einmal nach Feldberg gehen, ummit Ulla zu reden und sich von ihr zu
verabschieden. Suse muss doch verstehen, dass er Ulla eine Erklärung schuldig ist.«
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Suse wird auf die Rückkehr ihres geschiedenen Mannes von diesem Besuch vergeblich
warten. Mit Ursula Losch hatte sich Ditzen in deren Haus in Feldberg, Klinkecken 1 b
noch am selben Abend verlobt! Es war wieder eine jener abrupten Verhaltensweisen,
die sich nahtlos in die vorherigen Eskapaden einreihen. Im Nachhinein hatte er dann
für jede Unstetigkeit, ob Sanatoriums- oder Psychiatrieaufenthalt, eine Erklärung. So
auch diesmal in einem Brief vom 2. Januar 1945. Gut zwei Wochen, nachdem sich Dit-
zen bei seiner Entlassung aus der Landesanstalt von Hecker verabschiedet hatte, wird
er ihm einen ersten »Lagebericht« über sein Leben geben, das »z. Z. so turbulent
ist«, dass er nicht schon eher dazu gekommen sei, ihm zu schreiben. »Ich habe es nun
doch anders gemacht […] als vorgesehen«, er habe sich »ein junges Weib eingehan-
delt, ein sehr junges, ganze 28 Jahre ist die Gute jünger als ich. Suse und ich haben uns
ausgesprochen, und ich denke, wir werden bestimmt gute Freunde bleiben«. Ditzen
schreibt vom »Gefühl der Bitterkeit«, das in ihm »recht wach« war, dass es ihm wi-
derstrebte, »in Gnaden aufgenommen zu werden«, dann war da noch die »liebe Ver-
wandtschaft und Freundschaft und das ganze Land dazu […] Was aus alledemwird, das
weiß der Himmel, wir haben vor, sehr bald zu heiraten, wohl schon in 6 bis 8 Wochen.
[…] Meine Stimmung ist so glänzend wie seit Jahren nicht, meine kleine Ulla scheint
mir von ihrer Jugend abgegeben zu haben, ich fühle mich glänzend.« Heckers Bemü-
hungen um Ditzens Schicksal kommentiert dieser mit den Worten: »Bitte grollen Sie
mir nicht, mit dem Beraten und Helfen ist es ja immer ziemlich schwierig im Leben,
und manche Dinge laufen, einmal begonnen, so weiter, dass man sie nicht mehr auf ein
anderes Gleis dirigieren kann.«
Auch Suse schreibt einen Brief am 9. Januar 1945 an den »sehr geehrten und verehr-
ten Herrn Medizinalrat« in Reaktion auf dessen »so menschlichen und guten Brief
vom 13. Dezember«. Auf vier handgeschriebenen Seiten, die wegen der häufigen Kor-
rekturen und Streichungen die ganze innere Unruhe Suses dokumentieren, berichtet
sie: »Ja, die ganze Angelegenheit hat nun eineWendung genommen, die Sie wohl kaum
erwartet haben und auch ich nach den Briefenmeines Mannes aus der Anstalt und nach
seinem ganzen Verhalten nach seiner Entlassung nicht erwarten konnte. Er kam zurück,
wohl geschwächt von dem dortigen Leben, aber guter Stimmung, ausgeglichen und voll
Tatkraft, ganz so, wie er früher im Anfang unserer Ehe in seinen besten Zeiten war.«
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