• Steffen Verlag | www.steffen-verlag.de | Klaus-Jürgen Neumärker: Der andere Fallada - page 93

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Die Gründe für Ditzens Verhalten, nicht nur gegenüber seinem Sohn, scheinen
kaum nachvollziehbar zu sein. Waren sie emotionaler oder eher rationaler Art? Er
empfand die Enge, die ihn in Carwitz nach seiner Entlassung aus der Landesanstalt
umgab, als schwer erträglich. Er hatte hier einen Abgrund vor sich gesehen. Eine Rück-
besinnung und Verarbeitung dieser Ereignisse waren ihm fremd. Ditzen wollte sich
förmlich von allem befreien, fühlte aber im Unterbewusstsein bereits bei der Hoch-
zeit die auf ihn zukommenden Probleme, fühlte auch, dass er sie nicht beherrschen
würde. Sichtbarer Ausdruck dafür war das gereizte abrupte Verhalten schon bei der
Hochzeitsfeier als Reaktion auf das Nicht-Wiederkommen von Rowohlt. Das Ver-
schicken von Heiratsanzeigen bedeutete eine Demonstration seiner Eigenwilligkeit
und zugleich seiner Schwäche.
Sophie Zickermann, die »liebeWoffie«, die in der Zwischenzeit einenDr. Baumgar-
ten geheiratet hatte, erhielt eine Hochzeitsanzeige, ebenso Professor Zutt. Der notierte
kommentarlos auf die Karte »Vg ablegen«. Und so findet sich die Anzeige als Vorgang
im Krankenblatt Ditzen/Fallada wieder.
DieRückseite der inPostkartenformat gehaltenenAnzeige istmit einer LudwigRich-
ter-Zeichnung zu einem Bechstein-Märchen versehen. Auch seine ehemalige Freundin
ausHohenlychenAnnemarie Steiner hatte eine Anzeige erhalten. Ihr Kommentar dazu
Ludwig Richter-Zeichnung zu Bechsteins Märchen »Schneeweißchen und Rosenrot«
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