• Steffen Verlag | www.steffen-verlag.de | Klaus-Jürgen Neumärker: Der andere Fallada - page 91

311
Suse geht in ihrem Brief mit Skepsis auf die junge Frau ein, die Ditzen »reizte«, dass er
selbst aber der Ansicht sei, »dass diese neue Ehe nicht gut gehen wird«. Auch habe sie
»starke Befürchtungen für ihn wegen des Alkohols, den er leider nicht so meidet, wie er
es müsste und den die junge Frau auch recht lieben soll.«
26
Und damit hatte Suse nicht
unrecht, denn Frau Losch sprach dem Alkohol und dem Morphium zu, so schon die
damaligen Beschreibungen. Ditzens und Suses Briefe waren die letzten Kontakte, die sie
mit Dr. Johannes Hecker hatten. Jeden erwartete nun sein eigenes Schicksal.
Seinem Sohn Uli beschwor Ditzen hingegen am 19. Januar 1945 aus Carwitz ein
Phantom der heilen Welt: »Mummi und ich haben uns herzlich über Deinen Brief
gefreut. Ich bin eben von Berlin gekommen und fand ihn hier schon vor. […] Hier in
Carwitz ist alles beim alten. […] Deine Mutter hat nun Schlachten und große Wäsche
hinter sich gebracht. […] Morgen Früh muss ich nach Feldberg. […] Unsere besten
Grüße . Dein«
27
»Eben von Berlin gekommen« hieß für Ditzen, er kam aus der Berliner Wohnung
von Ulla Losch. Sie befand sich in dem Ditzen wohlbekannten Schöneberg, in der
Meraner Straße 12. Und »morgen Früh nach Feldberg« konnte nur der Weg zu Ulla
Losch sein. Wenige Tage später erfährt auch Uli Näheres über die schicksalhafte Ent-
wicklung, die sein Leben fortan bestimmt. Am 1. Februar 1945 verlassen »Rudolf Dit-
zen (Hans Fallada) und Ursula Ditzen verw. Losch geb. Boltzenthal« so die neue Ehe-
bezeichnung, das Standesamt in Schöneberg.
In Anwesenheit der Trauzeugen Ernst Rowohlt und Peter Zingler schlossen sie den
Bund der Ehe. Während des anschließenden »Hochzeitsmahls, bei dem es trotz des
Krieges hoch herging, ertönten Sirenen, die einen Fliegerangriff ankündigten«, so die
Schilderung des Rowohlt-Biografen Paul Mayer.
28
Rowohlt begab sich in einen Luft-
schutzbunker, kehrte aber danach nicht mehr zur Hochzeitsgesellschaft zurück. Als
Ditzen mitbekam, »dass Rowohlt nicht wiederkommen würde«, so Mayer, »bekam
er einen Wutanfall. Mit dem Ausruf ›Das ist eine richtige Fallada-Hochzeit!‹ zer-
trümmerte er das Mobiliar und vertrieb die übrigen Gäste«. Eine jener Reaktionen
gegen Vorgänge in der Umwelt, wie sie von Ditzen schon bekannt waren. Was bislang
in Darstellungen seiner Person nie Erwähnung fand, ist sein darauffolgender Gang
in die Kuranstalten Westend vom 2. bis zum 4. Februar 1945. So der Eintrag auf der
Krankenakte. Es ist sein vierter Aufenthalt dort. In dem noch unveröffentlichten Kran-
kenblatteintrag ist zu lesen: »2. II. 45. Wiederaufnahme. Angaben der Ehefrau (seit
gestern verheiratet!). Seit einigen Tagen sei der Patient unruhiger und fing vorgestern
an zu trinken. GesternNacht habe er dann getobt u. sich die Sachen vomLeib zerrissen,
schlug verschiedenes entzwei. Ließ sich beruhigen und schlief ein. Trank aber heute
weiter, äußerte von selbst, dass er nach hier wollte, fing immer wieder an zu toben.«
1...,81,82,83,84,85,86,87,88,89,90 92,93,94,95,96,97,98,99,100,101,...136
Powered by FlippingBook