• Steffen Verlag | www.steffen-verlag.de | Klaus-Jürgen Neumärker: Der andere Fallada - page 47

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Fährt man von Berkenbrück auf der
Landstraße am nahegelegenen Fürsten-
walde vorbei oder wandert über Hangels-
berg in Richtung des kleinen Flusses
Löcknitz, wird der Ort Grünheide am
Werl- und Peetzsee erreicht. Hier in der
Bahnhofstraße 1 befindet sich das Haus
der dritten Ehefrau von Ernst Rowohlt,
Elli, einer Brasilianerin. Kam Rowohlt
anfangs nur an den Wochenenden nach
Grünheide, blieb er ab 1932 auch längere
Zeit dort. Paul Mayer, langjähriger Lek-
tor in Rowohlts Verlag, schreibt in sei-
ner Biografie über ihn: »Mit Rowohlts
Einzug etablierte sich hier ein gastfreies
Haus, in dem zumeist am Wochenende
tüchtig gegessen und getrunken und
noch mehr geredet wurde.« Über Rowohlt selbst ist zu lesen: »Rowohlt trank viel
und mit Vergnügen, ohne dass er geradezu ein Säufer war. Er konnte die ganze Nacht
mit Wollust getrunken haben, er ging oft taumelnd unter die kalte Dusche, kam frisch
und vollkommen nüchtern wieder heraus und war um acht Uhr im Verlag – keiner
seiner Mitarbeiter hat ihn vormittags je zu spät kommen oder in betrunkenem Zu-
stand gesehen.«
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Unter den zahlreichen Gästen befindet sich auch Ditzen aus dem
nahen Berkenbrück. Gelegentliche Gegenbesuche der Rowohlts und anderer Gäste
bei den Ditzens lockern deren Tages- und Arbeitsablauf auf. Ditzen kommt mit sei-
ner Schreibarbeit einigermaßen voran, beklagt aber gegenüber Rowohlt, dass er »an
BBB
[Bauern, Bonzen und Bomben]
wirklich noch nicht viel Freude gehabt« habe.
Die Klage geht vor allem in Richtung schlechter und ausbleibender Honorare. Beim
Einfordern von Geld ist Ditzen notgedrungen konsequent. Der Bedarf übersteigt
zumeist seine Einnahmen. Trotz eines mit dem Verlag abgeschlossenen Generalver-
trages als freier Schriftsteller, der monatlich 500 Reichsmark garantiert und eine Zah-
lung von 28 000 Reichsmark im April 1933 sowie weitere 12 000 Reichsmark vorsieht,
mahnt Rowohlt auf seine Art Ditzen, er möge doch »die liebe, gute Pinke zusam-
menhalten«.
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Der Appell Rowohlts an Ditzen wird ebenso wenig erhört, wie Suses
Maßnahmen der Kontrolle in Geldangelegenheiten Erfolg haben. Auch in Zukunft
nicht. Viel Geld kann einen Haltlosen in seiner Haltlosigkeit nur noch bestärken. So
auch an jenemAbend des 27. Februar 1933, als Ditzenmit seinemVerleger Rowohlt »in
Vater und Sohn, Urlaub in Kölpinsee
an der Ostsee, 1932
1...,37,38,39,40,41,42,43,44,45,46 48,49,50,51,52,53,54,55,56,57,...136
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