• Steffen Verlag | www.steffen-verlag.de | Klaus-Jürgen Neumärker: Der andere Fallada - page 46

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ein paar schöne Tage, aber vor allem denke ich daran, dass man eine so schöne Som-
mergeschichte daraus machen könnte!«Und nach einemAbsatz fährt er fort: »Weißt
Du, im Garten, das grenzt ja nun freilich an Wunder, wie alles wächst.« Von den
Weinblättern, vom Flieder, von den Dahlien, Wicken und Feuerbohnen berichtet er
Suse im Einzelnen. Die Absurdität des Geschehenen reicht Ditzen nicht aus. Nein, der
Schriftsteller Hans Fallada möchte nun noch »eine schöne Sommergeschichte daraus
machen«, die Geschichte einer Affäre. Was würde wohl Rowohlt zu diesem Projekt
sagen. Den erwähnt Ditzen im gleichen Brief auch: »Bei Rowohlt habe ich für heute
Abend abgesagt, ich habe keine Lust, es würde doch eine Sauferei und von Sauferei
habe ich die Neese plein.«
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Von einem Alkoholexzess mit Braden und Lore kann daher nicht ausgegangen
werden, sie waren nur alle »ein bisschen duhn«. Dass Alkohol im Jahre 1932 kaum
eine Rolle gespielt hat, bestätigt auch Ditzens damalige Sekretärin Dora Isbrandt, die
im Haus in Neuenhagen für ihn arbeitete. »Geraucht hat Fallada furchtbar, ununter-
brochen hat der Mann geraucht […] viele Zigaretten, eine nach der anderen, ganze
Berge, aber dass er ein Trinker gewesen sein soll, das hab ich nie gemerkt, und dass er
seine Bücher im Rausch geschrieben hätte, niemals, nein, das glaub ich auf gar keinen
Fall.«
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Die Erlebnisse, von denen Ditzen seiner Suse berichtet, waren also eher ein Irrweg,
ein Umweg oder ein Abweg, ohne dass Alkohol seine freie Willensbestimmung oder
Steuerungsfähigkeit eingeschränkt hatte. Die Briefe erinnern sehr an die seinerzeit mit
Anne Marie Seyerlen gewechselten. Die euphorische und leidende Wesensart Ditzens
nimmt auch im Verhältnis zu Suse Gestalt an. Auch bei ihr hofft er nach dem Gesche-
henen auf Verständnis und Mitleid. Sie schreibt ihm am 17. Mai 1932: »Es hat schon
weh getan, Junge, sehr weh– aber da ist man halt nicht Herr über seine Gefühle.«
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Im Juli 1932 macht Familie Ditzen fröhlichen Urlaub im Haus in der Strandstraße
Nr. 2 in Kölpinsee auf Usedom. Vom Reihenhaus in Neuenhagen wird man sich verab-
schieden. Am 16. November 1932 zieht die Familie – Suse ist wieder schwanger – nach
Berkenbrück, Roter Krug Nr. 9. Ein Landhaus, etwas außerhalb des Ortes, in der Nähe
der Spree gelegen. Seit 1922 wohnte hier der am 11. Februar 1862 in Berlin geborene
Paul Sponar mit seiner Ehefrau Anna. Sponar, von Beruf Lampenfabrikant und Bild-
hauer, schuf u. a. 1903 vier Portalfiguren am neu erbauten Pankower Rathaus, betätigte
sich des weiteren mit Beleuchtungskörpern und engagierte sich, wie die Recherchen
von Werner Sagner ergaben, in Berkenbrück für wohltätige Zwecke.
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Darüber hinaus
waren beide, Sponar und Ditzen, ehemals Bewohner von Berlin-Schöneberg. Ditzens
bezogen in Sponars Haus die obere Etage. Reichlich Platz ist für alle, samt Dienstmäd-
chen. Die Besitzer und Vermieter des Hauses bewohnen den unteren Teil.
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