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Meine Krankheit verlief gut. Ich musste nicht stationär ins Krankenhaus. Es
konnte alles ambulant behandelt werden. Ganz, ganz traurig ist jedoch: Zwei Ärzte,
die mich damals so gut versorgten, sind inzwischen an Krebs gestorben. Sie waren
jünger als ich und mich haben sie gerettet. Das ist bitter. Aber nach Recht und Un-
recht darf man bei solchen Dingen nicht fragen.
Mit vielem hatte ich damals schon abgeschlossen. Doch ganz und gar war wohl
die Hoffnung nicht gestorben. Es gab immer etwas, worüber ich mich auch freuen
konnte. Vor allen Dingen über die Enkel, die damals am Heranwachsen waren. Mein
Mann kam regelmäßig. Es waren für mich aber nur Besuchsphasen. Doch was hätte
er mir helfen sollen? Und jammern ist auch nicht mein Ding! Nee! Schmerzen hatte
ich zum Glück nicht.
Als dann die Krankheit überwunden war, habe ich ein neues Leben begonnen.
Meine Zeitrechnung ist ungefähr so: vor 1995 und nach 1995. Es war ein ganz ein-
schneidendes Erlebnis und die Angst blieb ja noch lange, lange bestehen, doch ich
bin daraus gestärkt hervorgegangen. Vieles ist nicht mehr so wichtig. Alle Dinge, die
mich belasten, packe ich weg und verdränge vieles. Ich sehe keine Kriegsfilme, keine
Gesundheitssendungen. Ich gucke auch – das ist eigentlich schlimm – keine Tages-
schau, weil da so furchtbare Dinge zur Sprache kommen, denen ich hilflos ausgelie-
fert bin. Und was ich nicht ändern kann, damit will ich mich nicht belasten. Meine
Lebenszeit ist begrenzt. Eigentlich bin ich egoistisch geworden – in dem Sinne, dass
ich mehr auf mich und mein Wohlergehen achte. Natürlich lasse ich die anderen
nicht aus den Augen. Nein, das Wohlergehen anderer Menschen ist mir wichtig, Mit-
gefühl ist wichtig.
Die Krankheit hat mich sehr verändert. Weil ich sie überwunden habe, bin ich
stärker geworden – mit viel eigener Kraft. Ich bin jetzt selbstsicherer und selbstbe-
wusster. Ja, das kann ich so sagen.
Was hat Sie getragen? Wo fanden Sie Unterstützung?
Getragen hat mich die sehr, sehr einfühlsame, professionelle Arbeit meiner behan-
delnden Ärztin und auch die des medizinischen Personals. Das war kein »Rumge-
schmuse«, sondern die Fakten kamen auf den Tisch und die Maßnahmen wurden
festgelegt. Das half sehr und war das Primäre. Hilfreich war vielleicht auch mein
robuster Charakter. Manchmal sage ich ja über mich etwas übertrieben, dass ich eine
Seele wie ein Reibeisen habe. Von den Ärzten habe ich zudem Hilfe eingefordert. Ich
war, bevor die Diagnose kam, dermaßen mit den Nerven runter, dass ich mir von
meinem Hausarzt ein Beruhigungsmittel verschreiben ließ, denn ich konnte nicht
mehr schlafen. Das habe ich einige Zeit genommen, es hat gewirkt und es war dann
auch kein Problem, dieses Mittel wieder abzusetzen.
Großen Halt gab mir meine Selbsthilfegruppe. Ich kam in den Raum hinein, sah
dort ungefähr 15 Personen sitzen und erfuhr, dass sie alle Krebs haben oder Krebs
gehabt hatten. Das war für mich ein Schlüsselerlebnis, ich dachte: »Dann kannst du
Hoffnung haben!« Dort war man unter seinesgleichen, konnte reden. Große Proble-
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