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sehr quälen. Ich habe ihm angeboten, für ihn zu beten: »Mit Gott hab ich nichts im
Sinn«, sagte er, »der kann mir sowieso nicht helfen.« Dann hab ich doch mit ihm ein
bisschen gebetet, mit meinen eigenen Worten. Vorher war er sehr aufgeregt gewesen,
hatte sich ununterbrochen umgedreht, hatte gestöhnt und war aufgesprungen. Nach
dem Beten, so merkte ich, kam er für zehn Minuten zur Ruhe.
Ich kann eigentlich gar nicht ausdrücken, was das Gebet und das Gespräch mit
dem Herrgott mit mir tun. Es stärkt mich innerlich.
Was war und ist Ihre größte Herausforderung im Umgang mit der Krankheit?
Die körperlichen Schmerzen sind vergänglich. Die ersten zwei Stunden nach der
Mitteilung der Diagnose waren das Schwerste für mich. Ich hatte geglaubt, nach der
Teiloperation wären meine Beschwerden weg. Als dann aber der Chefarzt kam und
unerwartet für mich und auch wider Erwarten der Ärzte die Diagnose »Krebs« mit-
teilte, war das für mich unfassbar. Allein dieses Wort »Krebs« war im ersten Moment
dermaßen niederschmetternd. Dann lief dieser berühmte Film ab mit all den Vorstel-
lungen, was der Diagnose nun folgen würde. Ich bekam richtig das Schlucken und
musste aufpassen, dass mir die Tränen nicht liefen. Mich überkamen die Angst und
die Frage: »Was wird denn aus dir eines Tages?« Natürlich weiß ich, dass jedes Leben
ein Ende hat. Aber wenn dies dann auf einmal so nahe ist, erschlägt es dich. Der Ge-
danke, dass mein Leben vielleicht nicht mehr so lang sein würde, lief mir wild durch
den Kopf. Nach zwei Stunden hatte ich mich innerlich irgendwie gefangen. Dann
konnte ich mein Denken kehren und wieder Optimismus aufbauen, mir sagen, dass
ich doch eigentlich ein ganz kräftiger und willensstarker Mensch bin. Der Gedanke
»Ich kriege das schon irgendwie hin!« siegte.
Was macht Ihre Familie, außer dem Thema »Krebs«, aus?
Unsere Familie hat immer Optimismus ausgestrahlt. Wir haben drei gut gelungene
Mädchen, die zu uns stehen. Wir sind immer im Kontakt. Sie helfen, wenn es sein
muss, und sind interessiert an uns. Meine Frau und ich sind sehr zuversichtlich, dass
wir alles, was noch auf uns zukommt, meistern werden. Wir beide halten zusammen.
Wir kümmern uns umeinander auch in schwierigen Situationen. Es ist nicht immer
ein leichter Weg, aber gut, ihn zu zweit zu gehen. Wir sind 50 Jahre verheiratet und
in dieser Zeit zusammengewachsen. Wenn es auch mal ein wenig Stress miteinander
gibt, haben wir immer wieder die Kraft, die nebensächlichen Streitigkeiten schnell zu
vergessen. Man sollte vorher erkennen, was man aneinander hat, und nicht erst, wenn
einer aus dem Leben getreten ist. Es ist nicht immer leicht, aber es tut gut sagen zu
können: »Ein Glück, dass es uns gut geht und dass wir leben.«
Wenn man älter wird und gesundheitlich schon das eine oder andere durchge-
macht hat, ist es auch wichtig, dass man freundschaftliche Kontakte hat und pflegt.
Das Gefühl, dass Menschen um mich herum sind, die sich aufrichtig und ehrlich für
mich interessieren, gibt mir Selbstbewusstsein. Man steht nicht so allein da. Dann ist
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