• Steffen Verlag | www.steffen-verlag.de | ISBW: Unser Leben mit Krebs - page 13

Die Hände locker übereinander gelegt, lächelt eine dunkelhaarige Frau offen in die
Kamera. Sie wirkt entspannt und so, als ob nichts sie so leicht aus der Ruhe bringen
kann. Das unterstreicht auch das Motto, das sie mit feiner Schreibschrift unter ihr
Portrait gesetzt hat: »Nimm hin, was Du nicht ändern kannst und lerne, damit um-
zugehen.« Im Interview erfahren wir, dass Rosemarie Baranyai vor einiger Zeit an
Morbus Hodgkin erkrankt war und lange Chemotherapien über sich ergehen lassen
musste.
Was antworten Menschen, die gefragt werden, wie sie mit Krebs leben? Und wie
zeigen sie sich, wenn sie fotografiert werden? Wir könnten vermuten, dass Verzweif-
lung und Niedergeschlagenheit erkennbar werden, dass uns traurige, angstvolle Ge-
sichter anschauen. Wenn wir das vorliegende Buch in die Hand nehmen, begegnet
uns jedoch etwas anderes: Klare Statements sind zu lesen, Bekenntnisse zum Leben,
zum Vorwärtsgehen, zum Nicht-Nachlassen. Stellungnahmen, die anderen, die auch
von Krebs betroffen sind, Mut machen sollen. Die sie auffordern, Zuversicht zu wah-
ren und auch inmitten großer Bedrohung die Hoffnung nicht sinken zu lassen.
Die Idee für dieses Buch kam von drei Frauen, die seit einigen Jahren beruflich
oder im ehrenamtlichen Engagement mit Krebspatienten und ihren Angehörigen zu
tun haben, die ihnen therapeutisch und psychologisch begegnen und die selbst Erfah-
rungen als Betroffene oder Angehörige haben.
Diese Begegnung, die auch zu meinem eigenen beruflichen Alltag seit über 25 Jah-
ren gehört, kann große Kräfte freisetzen. Kräfte, die beiden – den Betroffenen wie
den Begleitern – den Atem rauben, sie niederdrücken und vor belastende Aufgaben
stellen. Andererseits aber auch Kräfte, die aufatmen lassen, Wege ebnen und neue
Perspektiven entstehen lassen. Kurz: Die Begegnung mit dem leidenden Gegenüber
kann in uns und im anderen Energien anstoßen, die die Möglichkeit eröffnen, weit
über diese Situation hinaus zu wirken. Und die vielleicht auch anderen in der Um-
gebung wesentliche Anstöße geben können. Für manche sind diese Kräfte vor allem
bedrohlich. Dann ziehen sie sich von den anderen, sogar von der Familie oder engen
Freunden zurück. Das Buch setzt an genau dieser Stelle an und transportiert die Bot-
schaft, dass es sich jederzeit lohnt, an Begegnungen festzuhalten und sich auch durch
Enttäuschungen nicht von der eigenen Intuition, der inneren Zuversicht abbringen
zu lassen.
Auch heute noch hat die Krankheit Krebs einen bedrohlichen Bedeutungshof. Sie
ist eine Metapher für viele Ängste, auch die des Alltags und unserer sozialen Welt.
Menschen, denen diese Diagnose mitgeteilt wird, schalten häufig in genau diesem
Moment »einfach ab«. Die »Seele versteckt sich«, alles ist auf das Funktionieren aus-
gerichtet, auf das Überstehen der kommenden Therapien und auf den schwierigen
Umgang mit einem neuen Alltag, der zunächst wie abgekoppelt vom früheren Leben
erscheint. Patienten entwickeln – ebenso wie die Menschen in ihrer nächsten Umge-
bung – ungeahnte Kräfte bei der Bewältigung dieser Aufgaben. Und sie können dabei
Vorwort
1...,3,4,5,6,7,8,9,10,11,12 14,15,16,17,18,19,20,21,22,23,...36
Powered by FlippingBook