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Hans Fallada – eine Faszination
Über den Landwirt und Schriftsteller Hans Fallada, mit bürgerlichem Namen Rudolf
Ditzen, ist schon viel geschrieben worden. Zumeist wird er als Alkoholiker, Morphi-
nist, Pechvogel, Glückskind, ein guter Vater und ein schwieriger Ehemann, vor allem
aber als ein großer Erzähler porträtiert, so auch bei einem seiner ersten Biografen Tom
Crepon. Gleich, welche Reihenfolge gewählt wird, in dem neu aufgelegten Band
Hans
Fallada
Sein Leben in Bildern
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wird Fallada als legendärer Dichter, Trinker und Mor-
phinist bezeichnet. Eine Besonderheit jedoch findet stets nur nachgeordnet in den
Texten über ihn Erwähnung –der Zigarettenkonsum, nach heutigem medizinischen
Verständnis erfüllte dieser die diagnostischen Kriterien für eine Tabakabhängigkeit seit
jugendlichem Alter. Der Zwang, Tabak zu konsumieren, täglich über 100 Zigaretten
zu rauchen, war die Voraussetzung für ein nachfolgendes Suchtverhalten, für Morphi-
um, Schlafmittel und Alkohol. Der Tabakkonsum steht an erster Stelle der »Leiden«.
Schon frühzeitig hatte Rudolf Ditzen Nikotin mit seiner psychisch aktivierendenWir-
kung erkannt, um Nervosität, Ängstlichkeit und Depressivität einzudämmen bzw. zu
überwinden. Auf Fotografien von ihm fehlt kaum einmal die Zigarette in seiner Hand.
Eines der Bilder, Fallada am Schreibtisch sitzend–Titelbild des erwähnten Buches von
2012 – zeigt den übervollen Aschenbecher mit »Kippen«, und in seiner rechten Hand
hält er die nahezu aufgerauchte Zigarette. Ein typisches Bild.
Das Leben des Schriftstellers Hans Fallada und sein Werk sind von Widersprüchen
gekennzeichnet. Das aber macht den Menschen so interessant als eine Persönlichkeit,
die auch heute noch schwer einzuordnen ist. Wer sich mit Fallada beschäftigt, trifft
stets auf neue oder neu zu interpretierende Fakten.
Manfred Kuhnke, jahrelang Leiter des Hans-Fallada-Museums in Carwitz, ist für
diesen Sachverhalt ein beredtes Beispiel. Seine Recherchen zu Fallada eröffnen Sicht-
weisen, die zu immer neuen Diskussionen führen, seien es seine
Anmerkungen zu den
verwobenen Lebenslinien von Johannes R. Becher und Hans Fallada
oder die Studie
Falladas letzter Roman
.
Die wahre Geschichte.
Mosaikartig durchforstet Kuhnke Quel-
len und interviewt Zeitzeugen. Der Blick auf die Person Fallada und ihr Umfeld wirkt
klärend und wirft neue Fragen auf. In einer Lebensspanne von 53 Jahren und sechs Mo-
naten befand sich Fallada vier Mal im Gefängnis, drei Mal in psychiatrischen Kliniken
mit unterschiedlicher Dauer, 23 Mal in Heilstätten für Nerven- und Gemütskranke, in
Sanatorien–und schrieb fast 30 Bücher.
2008 stellte im Mitteilungsblatt der Hans-Fallada-Gesellschaft e.V., das unter dem
Insider-Titel
Salatgarten
erscheint, Edmund Brandt die Frage: »Brauchen wir eine
neue Fallada-Biografie?« Angesichts der Vielzahl bisher erschienener Biografien und
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