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Angebote ausgeschlagen hatte – etwa in die Juristische Fakultät der Univer-

sität Greifswald einzutreten oder zur Reichsbahn zu gehen – zahlte sich am

Ende aus. Reichsgericht: Mehr konnte ein Jurist in Deutschland kaum errei-

chen. Dabei war Wilhelm Ditzen keineswegs mit körperlicher Stärke ausge-

zeichnet und war auch nicht von kräftiger Gesundheit, sondern leidend und

oft krank. Grippe und Schnupfen quälten ihn häufig, vor allem aber über viele

Jahre hinweg ein chronisches Magengeschwür. Seine vielen krankheitsbeding-

ten Beurlaubungen taten der Karriere dennoch keinen Abbruch.

Rudolf Ditzen beschrieb als Hans Fallada in seinen literarisch ausgemalten

Erinnerungen

Damals bei uns daheim

den Vater als einenMenschen, der seine

Berufung lebte und seinen Traumberuf gefunden hatte: »Mein Vater war mit

Leidenschaft nur eines, nämlich Jurist. Der Richterberuf schien ihm einer der

edelsten und verantwortungsvollsten von allen. Schon sein Vater war Jurist

gewesen und vor ihm der Vater seines Vaters und so fort; so weit Gedächtnis

der Familie und Überlieferung reichten, war immer der älteste Sohn in unserer

Familie ein Jurist gewesen, während im mütterlichen Stamm das Pastörliche

überwog.«

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Wilhelm Ditzen war 36 Jahre alt, als er in Uelzen die gut 16 Jahre jüngere

Elisabeth Lorenz kennenlernte. Sie war 1868 in Hildesheim geboren worden,

der Vater Otto Emil Lorenz war evangelischer Pfarrer und arbeitete in spä-

teren Jahren als Zuchthausgeistlicher in Lüneburg. Weil er schon 1872 früh

verstarb und die Mutter nicht alle Kinder ernähren konnte, wuchs Elisabeth

Lorenz bei einem Verwandten in Uelzen auf, dem Rechtsanwalt und Notar

Wilhelm Seyfarth, der selbst verwitwet und kinderlos geblieben war und in

der Familie stets nur mit Nachnamen angesprochen wurde: Onkel Seyfarth.

Ihm stand Elisabeths Patentante zur Seite, die ebenfalls Elisabeth hieß. Die

kleine Elisabeth Lorenz bekam eine klassische Ausbildung, wie sie für höhere

Töchter damals üblich war: Neben der Schule erlernte sie Handarbeiten und

Hauswirtschaft, aber ihre Kindheit war kontaktarm und freudlos. Die Pflege-

eltern hatten merkwürdige Ansichten. Das Mädchen wuchs fast ohne Gleich-

altrige auf, durfte kein rohes Obst, keine Butter und keinen Käse essen, um

eine schöne Haut zu behalten.

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Tatsächlich war sie »bleichsüchtig und blut-

arm«

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, wie ihre Tochter Elisabeth in ihren Erinnerungen später anmerkte.

Seyfarth war ein »boshafter Psychopathmit sadistischen Zügen«

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. Das Kind

musste imHaushalt bis zur Erschöpfung mithelfen. Elisabeths deprimierende