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nicht hoch genug eingeschätzt werden. Von beiden ebenso umfangreichen wie
verdienstvollen Arbeiten profitierte die hier vorgelegte Biografie in ganz be-
sondererWeise. Daneben gab es in den zurückliegenden Jahren immer wieder
Veröffentlichungen zu Details aus Falladas Leben, die in eine aktuelle Gesamt-
schau einfließen konnten.
Ich selbst habe Fallada erst verhältnismäßig spät für mich entdeckt. 2002
wurde ich Chefredakteur des
Nordkurier
inNeubrandenburg, der Zeitung der
Region, die regelmäßig über das Literaturzentrum Neubrandenburg und das
Hans-Fallada-Museum in Carwitz, zwei »Hotspots« des Fallada’schenNach-
lasses, berichtet. Carwitz liegt im Verbreitungsgebiet des
Nordkurier
und ist
daher für die Redaktion von besonderem Interesse.
Bei einer Wanderung mit meinen damals noch kleinen Söhnen rund um
den Schmalen Luzin, eines jener traumhaft schönen stillen Gewässer der
Feldberger Seenlandschaft, besuchten wir das Wohnhaus Falladas in Carwitz
mit dem liebevoll ausgestatteten Memorialmuseum. Das war der Beginn ei-
ner intensiven Auseinandersetzung mit dem Schriftsteller, zu dessen Roman
Kleiner Mann – was nun?
ich nun erneut griff, nach vielen Jahren wieder.
Er rührte mich an, weil seine Helden auch unter den größten Widrigkeiten
des Lebens anständig blieben. Sie waren Spielbälle in den gesellschaftlichen
und wirtschaftlichen Wechselfällen einer schwierigen Zeit, erlebten immer
neue Rückschläge und blieben dennoch aufrechte Menschen mit Rückgrat
und Würde. Sie flüchteten sich nicht in Rauschmittel, sie wurden nicht kri-
minell, sie wandten sich nie vom anderen ab. Sie blieben sich treu und zeigten
menschliche Größe im Scheitern. Das hat mich beeindruckt. Vor allem auch,
weil die Thematik so aktuell ist. Wie viele Menschen sind heute ebenfalls ab-
gehängt vom Leben, von der Arbeitswelt, von all dem, was gesellschaftliche
Teilhabe ausmacht – und machen dennoch weiter, in einer bewundernswert
tapferen Haltung und oft, ohne um Hilfe zu rufen?
Nach und nach las ich weitere Romane und Erzählungen Falladas und fand
in diesem reichenWerk immer neue Anknüpfungspunkte zu den großen The-
men, die mich selbst beschäftigen: Beruf und Familie, Macht und Ohnmacht,
Tatkraft und Schwäche, Moral und Sünde, der Einzelne und die Gesellschaft.
Aus der Faszination der Auseinandersetzung mit diesem ungewöhnlichen
Menschen, dessen Leben selbst einem Roman glich und der seine eigene Ge-
schichte derart tief in sein Werk einfließen ließ, erwuchs der Gedanke, über