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Zeitschrift „Marineforum“. In der nächsten Ausgabe meldet sich empört der
Kommandant des Tenders „Main“ und schildert seine Version. Er hätte bei An-
näherung an den Verband nicht nur die Flagge des DDR-Staatsoberhauptes
ausgemacht, sondern auch durch sein Westfernglas Honecker in grauer Uni-
formjacke klar erkannt. Also wie kannman schreiben, dass dieser nicht an Bord
war. Da hätte er das Grußzeremoniell eingeleitet. Gehört sich ja so. Selbst im
Kalten Krieg. Richtig. Aber: Honecker war nicht an Bord. Es wehten die Flagge
des Ministers für Nationale Verteidigung und die Flagge des Marinechefs im
Topp. Man hätte sie kennen müssen. Bleibt also, dass die Grußerweisung dem
DDR-Minister und dem Chef der Volksmarine galt. Warum auch nicht. Doch
das wird vom „Main“-Kommandanten beharrlich abgestritten. Manche Men-
schen haben eben immer Recht und können niemals einen Irrtum zugeben.
Kapitän zur See a. D. Hans Steike
Bombe an Bord!
Das Küstenschutzschiff war neu. Jedenfalls für die Crew. Also, es war gerade
von der Baltischen Flotte übernommen worden. Der neue deutsche Komman-
dant wagt es, nach Abflauen der ersten Stressphase in einen Wochenendurlaub
zu den Eltern in Thüringen zu fahren. Wegen West-Berlin geht die Fahrt von
Sassnitz über Stralsund, Schwerin, Leipzig bis nach Altenburg. Kein Zuckerle-
cken also. Die Züge waren damals meist übervoll, oft blieb nur ein Stehplatz.
Als er dann mehr oder weniger geschafft die elterliche Wohnung erreicht hat,
drückt ihm die Mutter traurig ein Telegramm in die Hand. Der Inhalt ist mili-
tärisch kurz und knackig: „Sofort zurück zur Dienststelle!“
Was war da bloß geschehen? Bei der „Großen Funktionsprobe“ am Sonn-
abend wurde rein zufällig hinter diversen Geräten im Buggeschütz ein Gegen-
stand entdeckt, der mit einer kurzen Zündschnur versehen war. Der I. WO
informierte den Stab und den zuständigen Offizier der militärischen Abwehr.
Aha, ein Sabotageakt! Die Stasi nimmt den Fall in die Hand. Großalarm!
Zu dieser Zeit gehörten die beiden KSS mit zu den geheimsten Objekten der
DDR-Seestreitkräfte.
Aus dem Bezirk Rostock kommen nun Dutzende von alarmierten Stasi-
Spezialisten, die das Flaggschiff stundenlang buchstäblich auf den Kopf stellen.
Keine Gefechtsstation, kein Funktionsraum, kein Deck, keine Kammer, keine
Backskiste bleibt verschont. Als der Kommandant zurück an Bord kommt, will
er sofort das „Corpus Delicti“ sehen. Es ist aber beschlagnahmt und wird un-
ter strengsten Sicherheitsmaßnahmen im Dienstzimmer des Abwehroffiziers
aufbewahrt. Endlich darf er dort den „Sprengkörper“ besichtigen und kann