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Fregattenkapitän a. D. Dieter Flohr
Von den Anfängen
Berlin am 25. Juli 1950. Im Tiergarten endete eine Großkundgebung. Anlass
war der III. Parteitag der SED. Überraschend forderte Wilhelm Pieck auf ihm
die Bevölkerung der jungen DDR auf, angesichts erhöhter Kriegsgefahr nun-
mehr an der Seite der Sowjetunion zum Schutz des Friedens bereit zu sein.
Etwa 5000 Uniformierte in den blauen Uniformen der VP-Bereitschaften
marschierten danach am Abend durch die Trümmerstraßen Berlins. Die ein
dichtes Spalier bildenden Menschen wurden dabei auf einige Marschblöcke
aufmerksam, die gemessenen Schritts und in nagelneuen Uniformen vorüber-
defilierten. „Mensch, Marine!“, hörte man erstaunte Rufe. Beifall brandete auf.
Angeführt von sechs VP-Kommandeuren mit je vier goldenen Kolbenringen
auf den Ärmelnmarschierten – nur fünf Jahre nach dem verheerenden Zweiten
Weltkrieg – wieder Blaue Jungs durch die zerstörte Millionenstadt. Sensatio-
nell. Offiziell gehörten sie der am 16. Juni 1950 vomMinisterrat beschlossenen
und publik gemachten See-Polizei an. Zwischen den Politikeraussagen, „nie-
mals wieder ein Gewehr in die Hand zu nehmen“ und diesem militärischen
Aufmarsch musste politisch etwas Entscheidendes passiert sein. Und das war
kurz gesagt: In Ostasien, speziell in Korea herrschte der heiße Krieg. In Berlin-
West war durch die Einführung der Westmark und die Berlinblockade der So-
wjetarmee ein Unruheherd entstanden. Und so wurden – trotz des Potsdamer
Abkommens – wieder deutsche Soldaten durch die Siegermächte gebraucht.
Und zwar in Ost, wie auch in West. Die Verbündeten der Antihitlerkoalition
lagen längst im Streit. BRD und DDR waren entstanden. Europa litt unter dem
Kalten Krieg. Stalin aber setzte energisch auf die militärische Karte. Streng ge-
heim, versteht sich. So gibt es auch keine Dokumente über die ersten Schritte
zu bewaffneten Kräften der DDR in den Archiven. Nur Wilhelm Pieck hatte
sich Notizen gemacht. Sie besagen, dass die Ostzone schon 1948/1949 mehr
als 50 000 Mann kasernierte Bereitschaftskräfte der Volkspolizei aufzustellen
hatte. Denen sollten dann auch See- und Luftstreitkräfte folgen.
Am 28. Februar 1950 entstand die so genannte HA z.b.V. (See) bei der
Hauptverwaltung Ausbildung (HVA) des Ministeriums des Innern in Ber-
lin. Im Verwaltungsgebäude von Bergmann Borsig unter den Ersten: VP-In-
spekteur Felix Scheffler, Handelsmatrose, Feldwebel, Partisan und Friedrich
Elchlepp, ehemaliger Oberleutnant zur See der Kriegsmarine. Am1. April 1950
wurden beide von der SMAD nach Karlshorst einbestellt.
Kapitän zur See Jurin der Sowjetmarine nannte die Aufgabe, die der ehe-
malige U-Bootfahrer Elchlepp später noch einmal als ein Protokoll in sein