Steffen Verlag | www.steffen-verlag.de | Sandra Lembke: Hoheiten, Diplomaten und Ehrenretter - Gäste am Mecklenburg-Strelitzer Hof - page 9

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Nachbarschaftsbesuch mit Folgen
Friedrich II. von Preußen (1712–1786)
Am 25. Oktober 1736 lässt ein junger Mann, der Jahre später Welt-
geschichte schreiben wird, im Schloss Rheinsberg zu früher Stunde
die Pferde satteln. Nur von einigen Getreuen begleitet, möchte er an
diesem spätherbstlichen Tag einen Ausritt in das benachbarte Her-
zogtum Mecklenburg-Strelitz unternehmen. Noch ahnt der junge
Adlige nicht, dass diese Visite Folgen für ihn haben wird. Zunächst
einmal erwartet ihn eine außerordentlich strapaziöse Reise voller
amüsanter Abenteuer. Da auch sein erlauchter Vater immer für einen
kleinen Spaß zu haben ist, wird sich der junge Mann schon einen Tag
später an das Schreibpult setzen und sehr ausführlich und lebendig
in einem Brief von seinen kuriosen Erlebnissen in der mecklenburgi-
schen Provinz berichten.
Kronprinz Friedrich von Preußen kann sich erst seit wenigen
Wochen Herr des Schlosses Rheinsberg nennen. Nach den hefti-
gen Auseinandersetzungen mit seinem königlichen Vater Friedrich
Wilhelm I.
1
und einer mehr oder weniger freiwilligen Eheschlie-
ßung
2
durfte er sich endlich einen eigenen Hausstand einrichten. In
Rheinsberg kann er sich nun frei entfalten und seinen umfangreichen
Interessen nachgehen: »Wir haben unsere Beschäftigungen in zwei
Klassen geteilt: erstens die nützlichen und zweitens die angenehmen.
Unter die nützlichen rechne ich das Studium der Philosophie, der
Geschichte und der Sprachen. Die angenehmen sindMusik, Lust- und
Trauerspiele, die wir selbst aufführen, Maskeraden und gegenseitige
Überraschungen mit Geschenken. Die ernsten Beschäftigungen haben
indes den Vorzug vor den andren, und ich wage zu behaupten, dass
wir von den Vergnügungen nur einen maßvollen Gebrauch machen.
Wir benutzen sie nur zur Erholung des Geistes und zur Milderung
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