Steffen Verlag | www.steffen-verlag.de | Sandra Lembke: Hoheiten, Diplomaten und Ehrenretter - Gäste am Mecklenburg-Strelitzer Hof - page 10

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der Grämlichkeit und des allzu tiefen Ernstes der Philosophie, die sich
nicht so leicht die Stirn von den Grazien glätten lässt. (…)«,
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teilt der
Kronprinz seinem Freund Suhm
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noch zwei Tage vor seinem Besuch
in Mecklenburg-Strelitz mit.
An diesem besagten Oktobertag will der Kronprinz jedoch nicht
der Philosophie oder der Musik frönen. Es zieht ihn in das etwa
35 Kilometer entfernte Mirow. Hier lebt sein »Nachbar«, Herzog Karl
Ludwig Friedrich zu Mecklenburg, auch Prinz von Mirow genannt.
Der Adelsspross, nur um vier Jahre älter als der Kronprinz, hat erst
im vergangenen Jahr Prinzessin Elisa­beth Albertine von Sachsen-
Hildburghausen geheiratet und residiert – mit einer knappen Apa-
nage ausgestattet – in äußerst bescheidenen Verhältnissen auf der
Mirower Schlossinsel. Nun will Kronprinz Friedrich die Nachbarn
kennen lernen und sich ein eigenes Bild von deren Residenz machen.
Nach einem mehrstündigen Ritt erblickt der Preußenprinz in-
mitten weitläufiger Felder und Wiesen endlich die ersten Häuser
von Mirow. Doch das Städtchen entpuppt sich als sehr überschaubar
und im Vergleich zu anderen ihm bekannten Residenzen als recht
unspektakulär. »(…) Um meinem allergnädigsten Vater eine Idee von
dem Ort zu geben, so kann ich die Stadt zum Höchsten mit Großen-
Kreutz vergleichen; das einzige Haus drinnen, das man ein Haus
nennen kann, ist nicht so gut, wie das Priesterhaus dorten«,
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berichtet
der Kronprinz in seinem Brief.
Friedrich und seine Begleiter wenden sich alsbald der Schlossinsel
zu. Zunächst fällt ihnen ein gerade fertiggestellter Bau, das sogenannte
»Untere Schloss«, ins Auge, das für die Familie des Prinzen von
Mirow bestimmt ist. Das Haus ist jedoch zu diesemZeitpunkt augen-
scheinlich noch nicht bewohnt. Die kleine Reisegesellschaft zieht es
daher sofort weiter. »Ich ging alsofort nach dem Schloß, welches unge-
fähr wie das Gartenhaus von Bornim ist; rings herum aber ist einWall,
und ein alter Turm, der schon ziemlich verfallen ist, dienet demHause
zum Torweg.«
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Doch nun machen Friedrich und seine Begleiter Be-
kanntschaft mit dem Wachpersonal des Mirower Prinzen: »Wie ich
an die Brücke kam, so fand ich einen alten Strumpfstricker, als einen
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