Steffen Verlag | www.steffen-verlag.de | Sandra Lembke: Hoheiten, Diplomaten und Ehrenretter - Gäste am Mecklenburg-Strelitzer Hof - page 15

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Chevalier nun verpflichtet sieht,
sein Geschlecht öffentlich zu be-
kennen und auch einer Probe aufs
Exempel zuzustimmen. Und es
kommt tatsächlich dazu. Doch
der Chevalier, nunmehr eine äu-
ßerst schamhafte Chevaliére, bit-
tet aus Gründen der Schicklich-
keit, dass man sein Geschlecht
doch nur mit der Hand feststellen
möge. Bis heute weiß man nicht,
wie d’Éon es geschafft hat, Beau-
marchais und einen anderen Ge-
sandten des Versailler Hofes zu
täuschen. Doch angesichts des-
sen, das er eine seelische und mo-
ralische Vorbereitungszeit von 24
Stunden verlangte und die Probe
nur in der Dunkelheit statthaben sollte, kann man sich vorstellen,
welche Mittel der schlaue Chevalier angewandt haben könnte. Beau-
marchais ist danach vollends überzeugt, eine Dame vor sich zu haben
und trachtet danach, diese vermeintliche Gewissheit zu versilbern,
indem er sich rege an den LondonerWetten auf das wahre Geschlecht
d’Éons beteiligt. Raffgierig versucht er bald, den Chevalier mittels
einer hübschen Summe zu weiteren »Fühlproben« zu überreden,
aber dieser lehnt strikt ab. Um an sein Ziel zu gelangen, schmeichelt
der listige Beaumarchais nun der Eitelkeit d’Éons, indem er ihn wie
eine Frau umgarnt. Der Chevalier geht munter auf das Spielchen ein
und irgendwann wird die Sache zwischen ihnen so undurchsichtig,
dass bald in London wie auch in Paris das Gerücht umgeht, das die
beiden Männer vor den Traualtar treten wollen. Dazu kommt es je-
doch nicht. Beaumarchais und d’Éon überwerfen sich bald darauf. Im
Zuge der Streitigkeiten sieht sich der Chevalier schließlich genötigt,
aufgrund der immer noch abgeschlossenen Wetten und einer daraus
Thomas Stewart nach Jean Laurent
Mosnier: Chevalier d’ Eon, Öl auf Lein-
wand, 1792, National Portrait Gallery
London
1...,5,6,7,8,9,10,11,12,13,14 16,17,18,19,20,21,22,23,24,25,...28
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