Steffen Verlag | www.steffen-verlag.de | Theodor Fontane, Hans-Jürgen Gaudeck: Von London bis Pompeji mit Theodor Fontane - page 10

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Brighton ist schön, aber Hastings ist schöner. In alten Zeiten war es der größte
und reichste unter den sogenannten »Fünf-Häfen«. Diese Tage des Glanzes sind
für immer dahin. Die Natur tat für Portsmouth und Southampton zu viel, als
daß Hastings wieder werden könnte was es war. Dennoch hat es eine Zukunft,
aber nicht als Hafen, sondern als Badeplatz. Seine Lage ist entzückend, und das
kalte vornehme Brighton blickt mit einer Art Unruhe auf den heitren, rührigen
Nachbar, wie der bange Hüter eines mühsam errungenen Ruhms auf die lachende
Stirn des Jüngeren blickt, die ihm zuruft: »Dein Kranz ist mein.« Hastings wächst
von Jahr zu Jahr und mit Recht, denn die englische Südküste hat keinen schöne­
ren Punkt. Ein mächtiger in die See vorspringender Fels teilt es in zwei Hälften:
rechts, am Strande entlang, läuft der fashionable Teil der Stadt mit seinen Hotels
und Palästen, am besten geschildert, wenn ich ihn Klein-Brighton nenne; linkshin
zieht sich, ungleich malerischer denn jenes, das alte Hastings mit seinen Badekar­
ren und Fischerhütten, die sich zum Teil unter die überhängenden Felsen kauern,
deren groteske Häupter nun wie steinerneWetterwolken über den Dächern drohn.
»Ein Sommer in London. Out of Town.« – Die von Fontane angeführten »Fünf Hä­
fen« bezeichnen eine wirtschaftliche wie militärische Allianz im spätmittelalterlichen
England, der unter anderem die Verteidigung gegen dänische Angriffe oblag. Zu dem
Bündnis zählten zu jener Zeit die Hafenstädte Dover, Hastings, Hythe, Roniney und
Sandwich – alle in den Grafschaften Kent und Sussex gelegen. Sie besaßen weitgehende
Rechte und damit verbunden großen politischen Einfluss im Königreich. Gegen Ende
des 14. Jahrhunderts verlor die Allianz zusehends an Macht und Glanz.
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