Steffen Verlag | www.steffen-verlag.de | Knox: Alles Kacke - page 10

36
Herbert S.
und die deutsche Sprache
Da frage ich vorgestern meinen Kumpel Erwin,
ob wir gemeinsam das Flaschenleergut zum Super-
markt schleppen, und Erwin sagte, dass er erst einmal
»chillen« wollte. Was war DAS denn, was hatte denn
den gestochen? Hatte er sich etwa von seinen ganz jun-
gen Arbeitskollegen irgendeine linguistische Bakterie
eingefangen? »CHILLEN.« Früher hieß es: »Ick will
noch ’n bisschen in der ›Seeche‹ liegen, an der Ma­
tratze horchen.«
Jetzt kam ich mit meinemDeutsch. »Erwinowitsch.
Warum lässt du solch eine gequirlte Kacke raus?« »Ver-
stehst du nicht, Hörrbi, wir müssen uns in der Sprache
anpassen, uns global anschließen – Werbung, Medien
und Politik zeigen uns den Weg. Du hörst und liest
das doch überall. Wir sind nun mal eine Kommuni-
kations- und Informationsgesellschaft. Willst du etwa
die neue Zeit verschlafen? Du willst doch verstanden
werden. Da musst du schon aus deinem antiken Mau-
seloch an die reale Luft kriechen.« Und das mir. Das
sagte gerade der Richtige. Konnte sonst gerade mal
fünf Worte zu einem Satz zusammenbasteln und jetzt
ist er der Sprach-Avantgardist. Pah. Bei der Heimfahrt
zwischen Bleibtreustraße und Ehrlichstraße dachte ich
kurz über die Muttersprache nach. Ich hatte so meine
Zweifel, ob es die überhaupt gäbe. So wie heutzutage
1,2,3,4,5,6,7,8,9 11,12,13,14,15,16,17,18,19,...20
Powered by FlippingBook