198 Blick in die Geschichte
Bereits im Juli 1950 anerkannte jedoch die DDR die Oder-Neiße-Grenze
als völkerrechtlich endgültig. Sie schloss mit dem damaligen Volkspolen
in Zgorzelec, dem nun polnischen Teil von Görlitz, einen entsprechenden
Grenzvertrag, das Görlitzer Abkommen. Kleinere Veränderungen im
Grenzverlauf unter anderem auf der Insel Usedom im Nordosten folgten.
Mit Beginn des Jahres 1972 vereinbarten beide Nachbarstaaten die
Öffnung der Grenze für den pass- und visafreien Verkehr ihrer Bürger,
der viele Möglichkeiten für den individuellen Tourismus eröffnete. Es
wurden neue Schienen- und Straßenübergänge geschaffen und mehre-
re Bahnverbindungen eingerichtet. Mit Erstarken der oppositionellen
Solidarnosc-Bewegung Anfang 1980 schloss die DDR-Regierung zeitwei-
se die Grenze zu Polen.
Im Zuge der so genannten Neuen Ostpolitik verabschiedete sich die
SPD-geführte Regierung der Bundesrepublik von der Illusion einer
Grenzrevision im Osten und erkannte mit demWarschauer Vertrag von
1970 die Oder-Neiße-Linie faktisch an. Das 2+4-Abkommen zwischen
DDR und BRD einerseits und den Siegermächten des ZweitenWeltkriegs
andererseits im Jahre 1990 kurz vor der deutschenWiedervereinigung
ersetzte die einst in Potsdam geforderte friedensvertragliche Grenz
regelung. Dem gesamtdeutschen Souverän, dem aus denWahlen nach
der Einheit im Herbst 1990 hervorgegangenen Parlament, war es vor
behalten, mit einemVertrag zwischen Deutschland und Polen die Oder-
Neiße-Grenze nochmals völkerrechtlich als endgültig zu bestätigen.
Die größte Zäsur an dieser Grenze fand dann 2007 mit dem Beitritt des
EU-Mitglieds Polen zum Schengener Abkommen statt, in dessen Folge
die Personen- undWarenkontrollen an den Übergangsstellen abgeschafft
und schrittweise fast alle historischenWegbeziehungen wieder herge-
stellt wurden.
Christian Stelzer
