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Bolle der Schreckliche und
Bradenkierl der Grausame
Ankershagen bei Waren
Es gibt Leute, die wollen die Ankershagener Spukgeschichten
kleinreden. Dazu muss kein Geringerer als Heinrich Schliemann
herhalten. Der Entdecker des antiken Troja hat nämlich in dem
kleinen mecklenburgischen Dorf einen Teil seiner Kindheit ver-
bracht. Im Ankershagener Pfarrhaus wuchs er auf. Und weil sich
der spätere Multimillionär und Archäologe schon als Kind für
unterirdische Gänge und übernatürliche Erscheinungen begeis-
tern konnte, habe man in dem östlich von Waren gelegenen, etwa
zehn Kilometer von der Müritz entfernten Dorf alles Mögliche
und Unmögliche zusammengetragen, was irgendwie mit Sagen-
haftem zusammenhängen würde. Das erzählen jedenfalls manche
Leute in den Nachbarorten. Etwas Wahres ist gewiss daran. Aber
nur ein bisschen.
Das Sagenhafte beginnt schon amDorfrand. Dort, wo ein klei-
ner Bach in den Mühlensee mündet, erschien lange Zeit zu mit-
ternächtlicher Stunde ein riesiger schwarzer Stier. Das gewaltige
Untier bewachte einen Steg, der über das Gewässer führte. Jeden,
der die Stelle passieren wollte, jagte der Stier davon. Er musste
nicht einmal seine Hörner einsetzen, denn denMenschen genügte
allein sein schrecklicher Anblick, um Reißaus zu nehmen. Pferde
und Esel weigerten sich grundsätzlich weiterzugehen. Selbst wenn
Fuhrknechte oder Reiter ihre Tiere mit der Peitsche bearbeiteten.
Als Ausweg gab es zwei Möglichkeiten: Entweder man nahm
einen großen Umweg in Kauf oder man durchquerte an anderer